Kneif mich mal, wo sind wir denn hier gelandet?
Unsere Woche beginnt in Monterrey, unweit der Mexikanischen Grenze. Gerade finden die Präsidentschaftswahlen statt. Und die Lage im ganzen Land ist angespannt. Einige Kandidaten haben ihre Kandidaturen nicht überlebt. Aber so, wie es scheint, wird es jetzt wohl die erste Präsidentin in Mexiko geben. Immerhin, sogar hier, trägt der Feminismus erste Früchte, auch wenn man ansonsten das Patriachat wieder deutlicher spürt.
Während wir uns noch in Monterrey befinden, gibt es in den Vororten eine Schießerei, mit Todesopfern. Die Gewalt ist politischer Natur. Immer wieder wollen die Kartelle und Gangs die bevorstehende Wahl beeinflussen, so auch hier.
Und so kommt es, dass wir Route abändern. Denn ursprünglich geplant war östlich der Bergkette entlang zu fahren, wir wollten uns die Hitze der Wüste ersparen und freuten uns auf die Berge. Allerdings wird dringend davon abgeraten die Regionen um Ciudad Victoria zu besuchen und so wählen wir doch die Route auf der 57 Richtung Süden.
Wir stehen im Stadtpark, haben es noch nicht aus dem Park geschafft. Als ich aus dem Fenster schaue sehe ich einen Fahrradpolizisten, der in unsere Richtung blickt. Dann noch einen und noch einen. „Ich glaube wir bekommen Besuch“ meinte ich noch zu Michi, während es schon an unserer Tür klopft. Ich blicke aus einem unserer Fenster, vier Polizisten schauen mich an. Einer davon faselt etwas, etwas zu schnelles auf Spanisch. Ich entgegne nur „English?“ „ID“ bekam ich als Antwort. Wir packten unsere Ausweise aus. Währenddessen hat mein gegenüber schon Google Übersetzter ausgepackt. – Es wurde ein verdächtiges Fahrzeug gemeldet – stand auf seinem Bildschirm. Wir waren in einer sehr guten Gegend Monterreys, da wunderte es uns nicht, dass wir dem ein oder anderen Bewohner villeicht auch spanisch vorkommen. Aus der anfänglichen Befangenheit wurde eine kleine, nette Plauderei. Ein Kollege der englisch sprechen konnte kam auch noch dazu und war ganz begeistert von unserem Eigenheim. Wir können gerne noch weiter hier stehen bleiben und sollte irgendetwas sein, wir könnten uns jederzeit bei ihnen melden!
Wir reisen weiter, zu unserer Überraschung geht es für ein kurzes Stückchen in die Berge. Was für ein Traum. Die letzten Monate in den USA haben sich trist angefühlt. Haben das ein oder andere Mal überlegt, ob dass alles das ist, was wir wirklich wollen. Aber jetzt! Jetzt, hier, in Mexiko! Wir fühlen uns, als hätten wir irgendwas extrem Gutes konsumiert. So viel Adrenalin schütten unsere Körper aus. Wir lieben, was wir sehen! Stehen unsere zweite Nacht in den Bergen frei. In der früh kommt uns eine Herde Ziegen besuchen. Genau das war es, was uns die letzten Monate so gefehlt hat! Wir wissen gar nicht, wo zuerst hinschauen:
- Die Restaurante, die mit einem selbst gebauten Grill am Straßenrand stehen und ,,Pollo Asado“ verkaufen oder doch die beeindruckende Bergschlucht die wir entlangfahren?
- Die Esel, Ziegen, Schafe die mit ihren Hirten den Wegrand begrasen oder doch die Cafes, die in den buntesten Farben zu sehen sind.
- Die Fähigkeit, möglichst viele Menschen auf einen Roller zu bekommen oder doch die unzähligen Früchte die am Straßenrand verkauft werden.
Seit der Grenze durchfahren wir ein ganz anderes Land. Es gab keine Zwischenzone, aus den USA wurde sofort Mexiko. Und so haben sich auch die Straßen verändert. Wesentlich schmaler und kleiner sind sie geworden. Einkaufen wird zur Herausforderung, weil es keinen Parkplatz für uns gibt. Selbst die Riesen Stadt Monterrey wird zur Last. Tiefgaragen, Tiefliegende Äste und Kabel. Und so bohrt sich auch schon am zweiten Tag ein Ast in die Ecke unseres Koffers. Da steckt er jetzt. Ein neues Projekt.
Während wir also durch die kleinen Mexikanischen Pueblos fahren, achtet einer auf Topes (richtig, fiese, unmarkierte Bodenschwellen, die auch schon mal 20cm hoch sein können) und der andere auf zu tief liegende Kabel. Es dauert nicht lange da gings definitiv nicht mehr weiter. Außer das Kabel würde mit uns mitkommen. Wir stehen bergauf. Mit einer Steigung, an der man sich schon kurz überlegt, ob das die Handbremse noch macht.
Kurzerhand steigt Michi mit einem Stock aufs Dach. Ich sitze im Fahrersessel und versuche nun 9 Tonnen bergauf, möglichst so anzufahren, dass mir mein Ehemann nicht vom Dach fällt. Ein paar Minuten später waren wir durch. Das Kabel liegt hinter uns und wir sind um eine Erfahrung reicher.
In den nächsten Tagen geht es weiter und weiter in den Süden. Wir stehen auf zwei Campingplätzen. Freistehen ist hier wesentlich schwieriger geworden und so ganz sicher fühlen wir uns in dem Land auch noch nicht. Zudem muss man einfach sagen, dass die Preise extrem gut für uns liegen. Wir zahlen für die Nacht 200 Pesos, das sind umgerechnet gerade mal 10€!
Und dann sitzen wir da, in Tamul. Und wir denken uns beide „Kneif mich doch mal?! Das ist Mexico?“ Warum hat uns das eigendlich noch nie jemand davor erzählt. Die Kakteen und Bäume haben sich zu Palmen verwandelt. Es stehen Bananenstauden und Mangobäume am Straßenrand. Und an den Ästen entdecken wir Papageiennester.
Von unseren Campingplatz Gastgebern bekommen wir selbstgemachtes Brot & Würstchen. In gebrochenen deutsch werden uns Tüten gereicht mit den Worten „Fast wie Bratwurst. Habe ich gemacht“ Bei diesen Zeilen könnte ich vor Glück fast weinen. Immerhin stehe ich jedes Mal da gebe in Spanisch mein Bestes. Muss mich immer wieder selbst ermahnen statt Grazie – Gracias und statt Ciao – Adios zu sagen. Ein buntes Kuddel Muddel in meinem Kopf und trotzdem auch wenn ich all jenen meinen bunten italienisch, spanisch Mix an den Kopf werfe, geben sie sich die größte Mühe, dass wir eine schöne Zeit bei Ihnen haben.
Ich hoffe sehr mein Spanisch in den nächsten Monaten so zu verbessern, dass ich ansatzweiße flüssig kommunizieren kann. Wie gerne würde ich mich, mit all den Mexikanern unterhalten. Und dennoch bin ich überrascht und auch ein wenig Stolz wie gut und mutig ich diese Sprache spreche, obwohl ich sie noch nie zuvor aktiv gesprochen oder gehört hatte.
Wir sitzen gerade in unserer privaten, kleinen Außenküche unter Palmen. Um uns rum machen Vögel die wirrsten Laute. Wenn ich sie nur mit euch über den Bildschirm teilen könnte. Wir haben heute unsere ersten, an der Staude wachsenden, Bananen gesehen. Unsere ersten Mangos, die einfach so an Baum hängen, noch ganz lila. Hunderte andere Blumen und Blüten von denen wir keine Ahnung hatten, dass es sie überhaupt gibt. Und ab morgen hoffentlich auch schon ein paar Papageien.
Wie wunderschön kann ein Land bitte sein, kneif mich mal!
Ps: Es hatte heute Mittag einfach 49,6°C!
Hasta pronto,
Anna y Michi